Geschichte

Maestro Claudio Parodi
Maestro Claudio Parodi

Bastone Genovese hat eines mit Tire Machèt gemeinsam: Es handelt sich nicht um eine rekonstruierte, sondern um eine lebendige Kampfkunst. Genauer gesagt ist der Name ein Sammelbegriff. Man versteht darunter diejenigen Künste, die in Genua in Norditalien entwickelt wurden und nach wie vor gepflegt werden. Zu diesen gehören der Spazierstock, der zweihändige Stock, das Messer, die "stoccaosse" (ein kurzer Schlagstock, wörtlich "Knochenbrecher") und das waffenlose "Gambetto". In Genua kann man diese Disziplinen, dazu das "Savatte Genovese" , waffenlose Selbstverteidigung mit Tritten und der offenen Hand, und ebenso das moderne Savate Boxe Francaise, eine sportlichere Variante des aus Frankreich stammenden Kickboxens, von Maestro Claudio Parodi erlernen. Die Geschichte, wie der Maestro selbst diese selbst in Genua wenig bekannten Künste entdeckt und gelernt hat, kann man im Detail in seinem Buch nachlesen: Bastone Genovese, Coltello e Gambetto. Für hier genügt es zu sagen, dass Bastone Genovese als Oberbegriff für eine Kampfkunst des einfachen Volkes steht, entwickelt und weitergegeben von Kutschern, Hafenarbeitern und Seeleuten.

Quellen?

Die Frage stellt sich hier nur bedingt, da ein persönlicher, direkter Unterricht ja möglich ist, es sei aber trotzdem nochmals auf das Buch des Maestro hingewiesen.

Warum Bastone Genovese?

Die Bedeutung des Bastone Genovese fürs historische Fechten kann kaum überbetont werden. Eine durchgängige Überlieferung einer europäischen Tradition in unversportlichter Form über Generationen hinweg ist eine absolute Seltenheit, und wenn man der Erzählung glauben darf, so stammt der zweihändige Stock (auch als "bastone antico", sprich "antiker Stock" bezeichnet) bereits aus mittelalterlicher Zeit. Auch wenn sich die genauen Zeiträume aus Mangel an schriftlichen Aufzeichnungen schwer festmachen lassen, so besteht doch kein Zweifel an der Authentizität dieser Kampf- und Fechtweisen, die durch ihre direkte, pragmatische Art auch heute nichts an Relevanz verloren haben.

Die Waffen

Bastone da passeggio

Allgemein als Blickfang im Bastone Genovese akzeptiert wird der Spazierstock. Dieser unauffällige Begleiter, der lange Zeit ganz selbstverständlich zur Alltagskleidung dazugehörte, wurde oft zum Ersatz für den Degen als Mittel der Selbstverteidigung, sei es wegen rechtlicher Vorschriften (Verbot des Führens von Waffen in der Stadt), oder Mangels Zugang (Kosten eines Degens, nur Adeligen und Militärs erlaubt). 

Coltello Genovese

Das typisch-genuesische Messer zeichnet sich durch seine feststehende, sehr spitz auslaufende Klinge in Dreiecksform aus. In kunstvoller, verzierter Ausführung wurde es von Adeligen und Reichen getragen, aber auch einfache Bürger konnten sich ein schlichteres Messer leisten. Verbote hinsichtlich des Tragens speziell dieser Messer (Ausnahme: Polizisten im Dienst) wurden ignoriert, aber auch gezielt umgangen.

Bastone a due mani/Bastone antico

Die nach Überlieferung älteste Waffe des Bastone Genovese ist ein etwa Brustbein-hoher, massiver Stock. Nach einer mündlichen Überlieferung behalfen sich die in Konstantinopel ansässigen Genuesen mit diesem Instrument, als Ihnen das Tragen von Schwertern untersagt wurde. Das würde erklären, warum dieser Stock ebenso lang wie ein langes Schwert/Anderthalbhänder ist. In alten Zeiten soll er auch mit Blech ummantelt worden sein, da man sich damit auch gegen Schwerter wehren können musste.

Stoccaosse

Hierbei handelt es sich um einen kurzen, bleigefüllten Knüppel, der im Ärmel getragen wurde. Offiziell zu Selbstverteidigungszwecken, womöglich aber auch in "offensiverer" Absicht.

Gambetto

Die waffenlose Disziplin, die quasi "offiziell" zum Bastone Genovese gezählt wird, ist ringerischer Natur. Sie beinhaltet hauptsächlich Knochenbrüche, Würfe und Schmerztechniken. Ein sportlicher Einsatz ist nicht vorgesehen, weswegen die Techniken sehr nachdrücklich sind, vor allem aus heutiger Sicht.

Die Technik

Die Techniken sind selbstverständlich den jeweiligen Waffen entsprechend angepasst, ein Grundthema lässt sich jedoch feststellen: Effektivität in einem unreglementierten Kampf. Für die stumpfen Waffen, die verschiedenen Stöcke, bedeutet dies, dass Wert auf Schlaghärte gelegt wird, für das Messer, dass nur Ziele angegriffen werden, die den Kampf sofort beenden, fürs Gambetto, dass auch "unfeine" Aktionen zum Einsatz kommen. Mit keiner der Waffen gibt es ein formales Duell, wie es beispielsweise im Süden Italiens mit Messern existiert hat. Die genuesische Schule ist auf konsequente Selbstverteidigung in einem rauen Umfeld ausgelegt, von daher sehr schnörkellos und direkt.

Einige Videos gibt es auf Maestro Parodis Youtube-Kanal. Zu beachten allerdings, dass es sich dabei hauptsächlich um Vorführungen handelt.

Trainingsmöglichkeiten

In München gibt es zwei Anlaufstellen für Bastone Genovese:

Zum einen die Scuola d´Armi Tigre di Giada. Neben einigen anderen regionalen italienischen Schulen wird hier auch die genuesische unterrichtet. Die einzelnen Schulen werden im Wechsel trainiert, genauere Infos bei Rupert Sedlmayr.

Zum anderen gibt Tobias Zimmermann Privatunterricht und VHS-Kurse zum Thema, schwerpunktmäßig zum Spazierstock.

 

In Aachen ist Oliver Janseps Ansprechpartner, der auch die Bastone Genovese Deutschland-Seite betreibt, sich mit historischen Kampfkünsten aus Genua befasst und außerdem noch Trainingsleiter von Mispeldorn ist.