Geschichte

Für das deutsche Bajonettfechten stilbegründend ist das 1825 erschienene Werk "Die Bajonettfechtkunst oder Lehre des Verhaltens mit dem Infanteriegewehre als Angriffs- und Verteidigungswaffe", verfasst vom sächsischen Hauptmann Eduard von Selmnitz. Das Bajonett war zu dieser Zeit schon lange in militärischem Gebrauch, wurde als Fechtwaffe jedoch recht stiefmütterlich behandelt, in Fechtbüchern entweder nur nebenher erwähnt oder ganz und gar ignoriert. Ab diesem Zeitpunkt aber berufen sich beinahe alle Texte entweder namentlich oder in der beschriebenen Technik auf die Selmnitz´sche Bajonettfechtkunst.

Hauptmann von Selmnitz beschreibt das Fechten auf Hieb und Stoß als eine seiner Lieblingsbeschäftigungen, welche zudem den kriegerischen Geist des Soldaten formen und bilden kann. Während seiner Zeit als Kompanieführer im sächsisch besetzten Frankreich übte er sich viel im Stoßfechten nach französischer Schule und erlernte auch das Fechten mit dem Baton, dem langen Stock. Dadurch finden sich in seinem Werk Elemente, die für die deutsche Schule der damaligen Zeit eher untypisch sind, etwa der lange Ausfall.

August Fehn geht in seinem Kapitel zum Bajonett ausführlich auf von Selmnitz´ Schule ein, die er zwar als die beste bezeichnet, sie aber insofern abwandelt, dass er die Prinzipien des kreußlerschen Stoßfechtens deutlicher miteinbezieht.

Hauptquellen

August Fehn: Die Fechtkunst mit Hieb- und Stichwaffen, 1851

Eduard von Selmnitz: Die Bajonettfechtkunst oder Lehre des Verhaltens mit dem Infanteriegewehre als Angriffs- und Verteidigungswaffe, 1825

Von Görne: Anleitung zum Betrieb der Gymnastik und der Fechtkunst in der Armee, 1861

 

Warum diese Quellen?

 

Während von Selmnitz recht genaue Beschreibungen der Bewegungen sowie auch Anweisungen für Zweckgymnastik bietet, ist Fehns Bajonettfechten durch seine starke Orientierung am kreußlerschen Stoßfechten für den Schüler, der letzteres ja bereits kann, leicht zu erlernen, wenn auch das Gewicht des Gewehrs natürlich mehr Kraft erfordert als das leichte Stoßrappier. Hier kommt von Görnes Werk ins Spiel, das sich zwar mit der schwedischen Schule des Bajonettfechtens befasst, allerdings einige sehr wertvolle Übungen für die Beherrschung des Gewehrs mit Bajonett liefert.

 

Die Waffe

Der Legende nach entstand die Idee des Bajonetts als die irregulären Truppen der französischen Stadt Bayonne in einem Gefecht ihre Jagdmesser in die Läufe der leergeschossenen Musketen steckten. Tatsächlich ist das in den Lauf des Gewehrs zu steckende Spundbajonett die erste Erscheinungsform dieser Waffe und kommt aus dem Jagdgebrauch. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts taucht das Bajonett in der französischen Armee auf und wird bald in ganz Europa übernommen. Eine entscheidende Entwicklungsform ist das Tüllenbajonett, das es erlaubt, auch bei aufgepflanztem Bajonett zu feuern. Im späteren Verlauf entwickelt sich das Bajonett mehr und mehr in Richtung aufpflanzbares Kampfmesser, in welcher Form es auch heute noch in allen Armeen existiert.

 

Für uns ist das Tüllenbajonett auf Vorderladergewehr wie es zu Fehns Zeit z.B. in der hannoveraner Armee in Gebrauch war maßgeblich. Es ergibt sich eine Länge von etwa 1,40 m für das Gewehr an sich + etwa 40 cm Klingenlänge bei einem Gewicht von 5 kg. Am Anfang wird aber mit einem Stock passender Länge geübt, damit der Schüler sich langsam an die schwere Echtwaffe herantasten kann.

Steinschlossgewehr mit Tüllenbajonett.

Die Technik

Für die von Hauptmann von Selmnitz begründete Schule des Bajonettierens typisch sind der Fangstoß und der Wurfstoß. Bei beiden Aktionen verlässt die vordere Hand das Gewehr, was ein Nachdrehen der hinteren Schulter ermöglicht, wodurch mehr Reichweite und Wucht beim Stoß generiert werden.

Der Schüler erlernt mit dem Bajonettiergewehr nicht nur das beidhändige Fechten, sondern auch durch den Vergleich mit dem zuvor gelernten Stoßfechten, wie eine Übertragung fechterischer Prinzipien auf eine völlig andere Art von Waffe funktioniert. Darüberhinaus kann nun durch Gegenüberstellung und Freigefecht deutlicher auf die Vorzüge und Schwächen der verschiedenen Waffen eingegangen werden. Das Erkennen und Verstehen der Eigenheiten von Waffe und Stellung betont nochmals das durchdachte, taktische Vorgehen im Freigefecht.

Fangstoß
Fangstoß