Johann Adolph Carl Roux und die "Gründliche und vollständige Anweisung in der deutschen Fechtkunst auf Stoß und Hieb, 1798"

Eine unserer wichtigsten Quellen, die "Gründliche und vollständige Anweisung in der deutschen Fechtkunst auf Stoß und Hieb" von 1798, findet sich auf diversen Internetseiten, auch in Bibliothekskatalogen immer wieder unter dem Autor J.A.K. Roux, wobei das A. wechselnd für Adam oder für Adolph steht. Auf der Titelseite des Buches, wo sich normalerweise der Autor finden ließe, gibt es allerdings lediglich ein Monogramm, das auf den Urheber des Werks verweisen könnte, dieses scheint eher J K zu lauten. Der deutlichere Grund aber, weshalb diese Abwandlung höchstwahrscheinlich keinem Mitgleid der Roux-Familie zugeschrieben werden kann, kommt aus dem eindeutig zugeordneten Buch "Anweisung über das Hiebfechten. Ein Leitfaden" von Johann Adolph Carl Roux, erschienen in Fürth, 1803. In einer Fußnote spricht sich der Autor nicht nur gegen das Rencontrefechten als solches aus, sondern macht auch deutlich, dass die "Gründliche Anweisung" nicht aus seiner Feder stammt:

 

"Einige nehmen noch eine dritte Art zu fechten an, die sie Rencontrefechten nennen. Dieses Rencontrefechten nun soll darin bestehen, dass wechselweise bald gestoßen, bald gehauen wird. Allein diese Art zu fechten scheint mir eben so abgeschmackt und widersprechend zu sein, als die Erfindung einer Haufinte im Stoßfechten. Den Cavalleristen ist jene Art zu fechten schlechterdings nicht zu empfehlen, weil beim Hiebfechten zu Pferde kein Ausfall statt findet. Da nun der Cavallerist den Arm sehr einziehen müsste, um einen Stoß zu bewirken, so würde er auch ein unnöthiges Tempo machen, welches eine unnöthige Blöße zur notwendigen Folge hat. Hierdurch aber würde der Gegner so viel Zeit gewinnen, in jene, mit dem unnöthigen Tempo gegebene Blöße, ein zweyten vollen Hieb zu tun. Gewöhnlich stößt der Gegner, nachdem er einen äußeren oberen Hieb mit Terz versetzt hat [Anmerkung: J. A. C. Roux verwendet beim Hiebfechten noch den aus der älteren Fechtkunst stammenden Begriff "versetzen" für parieren], Second unter den Arm nach. Hebt man aber diese Second unter den Arm mit Halb-Terz Halb-Quart aus, und haut Terz nach der rechten Seite des Kopfes oder nach dem Arm nach: so ist es gewiss nicht leicht, diesen kraftvollen Nachhieb zu versetzen. Das Rencontrefechten findet man in folgenden Schriften: Die Fechtkunst auf Stoß und Hieb. In systemastischer Übersicht für Offiziere und zum Gebrauch in Kriegsschulen dargestellt, von G. Venturini. Mit Kupfer, Braunschweig, 1802. Gründliche und vollständige Anweisung in der deutschen Fechtkunst auf Stoß und Hieb, aus ihren innersten Geheimnissen wissenschaftlich erläutert, für Kenner zur Ausbildung und als Kunstschatz für Lernende systematisch und deutlich entworfen. Mit Kupfern. Jena, in Wolfgang Stahls Buchhandlung 1798. Vielleicht dass der mir unbekannte Verfasser von dieser Schrift gerade jenes Rencontrefechten unter den Geheimnissen versteht, welche er uns entdeckt haben will."

 

Dass Roux hier nochmals deutlich macht, der Verfasser sei ihm unbekannt, lässt die Spekulation zu, dass die Gründliche Anweisung ihm eventuell schon zu seinen Lebzeiten zugeschrieben wurde. Der Grund für diese Zuordnung könnte ein recht banaler sein: Die überwiegende Mehrheit deutscher Fechtbücher des ausgehenden 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts sind in Fraktur gedruckt. Die Werke der Roux (mit Ausnahme von Franziskus Roux "Versuch über das Contrefechten auf die rechte und linke Hand, nach Kreußlerischen Grundsätzen", 1786") hingegen verwenden alle einen "moderner" wirkenden Schriftsatz. Derselbe findet sich jedoch auch in der Gründlichen Anweisung.  Man darf also mutmaßen, dass aufgrund des als Markenzeichen der Roux-Familie bekannten Schriftsatzes die Gründliche und Vollständige Anweisung einfach dem zum Erscheinungsjahr passenden Roux zugeordnet wurde.

 

Nachtrag:

 

In J. A. K. Roux´  "Die deutsche Fechtkunst" von 1817 findet sich noch folgender Kommentar zum Thema:

 

"So wie Einige diejenigen Stöße, die nicht nach der Brust gehen, und daher als unregelmäßige Stöße anzusehen sind, Bastardstöße nennen, so sagen Andere von einem Stoße, welcher beigebracht wurde: Er logiere. Heißt das nicht, die Kunst künsteln, statt sie zu vervollkommnen? Man findet diese Benennungen in folgenden Schriften:
1) Gründliche und vollständige Anweisung in der deutschen Fechtkunst auf Stoß und Hieb, aus ihren innersten Geheimnissen wissenschaftlich erläutert, für Kenner zur Ausbildung und als Kunstschatz für Lernende systematisch und deutlich entworfen. ( Welcher Titel! ) Mit Kupfern. Jena, in Wolfgang Stahls Buchhandlung, 1798. § 67.

2) Die Fechtkunst auf Stoß und Hieb. In systematischer Übersicht von G. Venturini. 1812. § 51. Da diese Schrift der vorigen, wovon der Verfasser sich nicht genannt hat, sehr ähnlich ist, so sollte man beinahe auf die Vermutung geraten, dass jene Schrift auch von Venturini herrührt. Aber in beiden Schriften ist nichts weniger, als die deutsche Art zu fechten enthalten."

 

Tatsächlich verweist Venturinis Buch mehrmals auf die "gründliche und vollständige Anweisung", ohne dass aber eine Urheberschaft angedeutet wird. Ob Venturini einen Vorteil davon gehabt hätte, sein mutmaßliches Erstwerk 15 Jahre später durch solch geschicktes Marketing nochmals anzupreisen, ist zweifelhaft, finanziell zumindest wohl eher nicht. Die Ähnlichkeit beider Bücher ist nicht zu leugnen, ließe sich aber genausogut erklären, wenn Venturini die "gründliche Anweisung" als ein nach seiner Meinung gutes Lehrbuch lediglich zum Vorbild genommen hätte. Bestehen bleibt eine ungesicherte Autorenschaft und J. A. K. Roux´ Abneigung gegen die "gründliche Anweisung" . Die Behauptung, in selbiger werde nicht die deutsche Fechtart beschrieben, dürfte jedenfalls eher emotionalen als sachlichen Ursprung haben, das Stoßfechten in der "gründlichen Anweisung" beinhaltet zumindest sämtliche typischen Elemente der Kreussler-Tradition.

 

 

Vielen Dank an Olaf Küppers, der mich auf den oben zitierten Absatz aufmerksam gemacht hat!